Anmerkung zu ...

 

(19.09.2013)
Über die Pflicht zur Rentenantragsstellung bei Erreichen des 63. Lebensjahres
In der von uns beobachteten Praxis häufen sich die Fälle, wo Leistungsbezieher aus dem Rechtskreis SGB II aufgefordert werden, einen entsprechenden Antrag auf Bezug einer Altersrente zu stellen.
 
Begründet wird dies seitens der Jobcentren mit der Regelung des § 12a SGB II. Hier heißt es in Absatz 1, dass Leistungsberechtigte verpflichtet sind, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die entsprechenden Anträge zu stellen, soweit dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfsbedürftigkeit erforderlich ist.
 
Dies gilt dann nicht, wenn ein Fall des § 12a Satz 2 SGB II vorliegt.
 
In der hier beobachteten Verwaltungspraxis fällt auf, dass hier ganz schematisch lediglich auf das Geburtsdatum des Leistungsberechtigten abgestellt wird. Dies ist nicht hinreichend (Hammel in info also 2013, 148 ff.).
 
Gemäß § 13 Abs. 2 SGB II ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt worden, Ausnahmen zu bestimmen, wann die grundsätzliche Regelung des § 12a Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht gelten soll. Hierzu hat das Ministerium die Unbilligkeitsverordnung erlassen. Diese ist bei der Prüfung, ob ein Rentenantrag gestellt werden muss, zwingend beizuziehen. Sollten sich aus der Unbilligkeitsverordnung keine Regelungen ergeben, dass der Rentenantrag nicht gestellt werden muss, ist allerdings zu beachten, dass die in der Unbilligkeitsverordnung aufgezählten Einzelpunkte nicht abschließend sind (Sozialgericht Duisburg info also 2013, 130 ff. mit zustimmender Anmerkung Weth).
 
Nichts anderes ergibt sich auch aus einer anderen Entscheidung eines Sozialgerichts, nämlich Sozialgericht Hannover (info also 2013, 132 ff.).
 
Die Jobcentren sind gezwungen, jeden Einzelfall umfassend und sorgfältig zu prüfen, insbesondere auch vor dem Hintergrund, ob eine geminderte Altersrente im Ergebnis dazu führen würde, dass ergänzende Leistungen nach SGB XII beantragt werden müssen. Erst wenn alle diese Punkte umfassend geprüft worden sind, kann überhaupt von einer Verpflichtung zur Antragstellung einer vorgezogenen Altersrente gesprochen werden.
 

(18.03.2011)

Stromkosten beim Betrieb einer Heizungsanlage

In der sozialrechtlichen Praxis stellt sich immer wieder die Frage, wie mit den Stromkosten zu verfahren ist, die beim Betrieb einer Heizungsanlage anfallen. Der elektrische Strom wird hier benötigt zum Einen für die Heizungspumpe, die das warme Wasser durch die angeschlossenen Heizkörper wälzt, für die Zündanlage, für den Betrieb der Thermostate usw.. Ohne Nutzung von elektrischem Strom würde keine der heute gängigen Heizungsanlagen funktionieren können.

Für den Bereich der Zentralheizung ist dies in § 2 Nr. 4a Betriebskostenverordnung ausdrücklich geregelt. Hier sind die anfallenden Stromkosten, die separat zu erfassen sind, als Heizungsnebenkosten in die Heizkostenabrechnung mit einzustellen. Soweit ersichtlich, hat es hierüber auch nie nennenswerten Streit gegeben.

Davon zu unterscheiden sind sog. Gasetagenheizungen. Diese Gasetagenheizungen stellen zum Einen das warme Wasser für die Heizungsanlage zur Verfügung und auf der anderen Seite produzieren sie im Regelfall auch das warme Wasser zum Baden etc.. Auch diese Heizungsanlagen funktionieren nur dann, wenn auch Strom genutzt werden kann, da auch diese Heizungsanlagen mit einer Heizungspumpe, Zündmechanismen usw. versehen sind. Lange Zeit war umstritten, ob dieser Strom Haushaltsstrom und damit im Rahmen des § 20 SGB II zu berücksichtigen ist oder ob es sich um Heizungskosten im Sinne des § 22 SGB II handelt.

Seit der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 07.07.2011 (B 14 AS 51/10 R) ist diese Frage beantwortet, denn das BSG hat zutreffenderweise dies analog zu den Zentralheizungsanlagen behandelt. Die Kosten des Betriebs dieser Heizungspumpen sind Heizkosten und insoweit unter dem Gesichtspunkt des § 22 Absatz 1 Satz 1 SGB II zu übernehmen.

Die Bedarfe für Unterkunft und Heizung stehen jedoch unter dem Vorbehalt, dass die Kosten nur dann übernommen werden, wenn sie auch angemessen sind.

Fraglich ist in diesem Zusammenhang, wie die Kosten festgestellt werden können und ob man Kriterien entwickeln kann, nach denen die Angemessenheit beurteilt werden kann.

Der einfachste Weg, den Verbrauch festzustellen, wäre die Montage eines Zwischenzählers, der den für die Heizungsanlage erforderlichen Strom messen kann. Dies setzt jedoch eine Zustimmung des Vermieters voraus, die eher selten erteilt wird und darüber hinaus fallen Kosten an, die dann vom jeweiligen Sozialleistungsträger zu übernehmen wären. Darüber hinaus müsste gesichert werden, dass die entsprechenden Werte auch korrekt abgelesen werden.

In diesem Zusammenhang ist es fraglich, ob nicht die Gerichte im Wege einer Schätzung (§ 202 SGG i. V. m. § 287 ZPO) den Stromverbrauch anderweitig ermitteln können. Grundsätzlich ist eine solche Schätzung immer dann möglich, wenn konkrete Verbrauchswerte nicht mehr ermittelt werden können. Dies dürfte typischerweise dann der Fall sein, wenn die Abrechnung kommt, denn vorher ist der Zähler ja nicht montiert und insofern ist eine nachträgliche Messung nicht möglich.

Der konkrete Heizungsverbrauch wird im Wesentlichen von drei Faktoren bestimmt, nämlich zum Einen der bauseitigen Beschaffenheit des Objekts, zum Anderen der konkreten Nutzungsweise und darüber hinaus von den jeweiligen klimatischen Bedingungen (strenger Winter oder milder Winter).

Diese Faktoren haben Einfluss auf die Höhe der Heizkosten und insofern indirekt auch einen Einfluss auf die Höhe der Stromkosten, die zum Betrieb dieser Heizungsanlage erforderlich sind.

In den Richtlinien zur Durchführung der verbrauchsabhängigen Heiz- und Wasserkostenabrechnung vom Dezember 2002, erstellt von der Arbeitsgemeinschaft Heiz- und Wasserkostenverteilung e. V. in Bonn sowie der Fachvereinigung Heizkostenverteiler, Wärmekostenabrechnung e. V. in Stuttgart, ist hier im Rahmen der Schätzung von einem Wert von 8 % auszugehen (siehe hierzu Eisenschmidt-Wall, Betriebskostenkommentar, 3. Auflage 2010, Rn. 2956).

Es ist also sachgerecht von einem Wert von 8 % auszugehen.

Dieser Wert bezieht sich auf eine konkrete Relation des Preises pro kWh Gas zu den Preisen pro kWh Strom. In den vergangenen Jahren war allerdings festzustellen, dass die Schere zwischen dem Gaspreis und dem Strompreis auseinandergeht. Sollte diese Tendenz sich weiter fortsetzen, wird dieser Wert zu überprüfen sein und möglicherweise auf 10 und mehr Prozent zu erhöhen sein.

Die heute in der sozialrechtlichen Rechtspraxis anzutreffenden Werte (siehe hierzu LSG Stuttgart L 12 As 2404/08 vom 25.03.2011) in Höhe von 5 % des Primärenergieverbrauchs scheinen jedenfalls überholt zu sein und empirisch nicht mehr haltbar.

Fraglich ist, wie man einen Wert bestimmen kann, der gerade noch angemessen ist. Hier kann auf Urteile bzw. Datenmaterial zurückgegriffen werden.

Für den Bereich der Zentralheizung gibt es empirische Untersuchungen durch CO2online. Hier ergibt sich aus der Datenbank, dass ein jährlicher Stromverbrauch von bis zu 400 kWh als Durchschnitt angesehen werden kann (Hengstenberg in WuM 2008, 523). Für den Bereich der Gasetagenheizung gibt es eine solche Datenfülle nicht. Das LSG NRW hatte jedoch in einem Urteil vom 12.11.2009 (L 7 AS 92/07) unter Zugrundelegung einer Gasetagenheizung des Typs Vaillant-Therme VCW 204 XEU, Baujahr 1997, eine Berechnung angestellt. Das LSG kam hierbei zu einem Jahresverbrauch von 396 kWh (letzte Seite 2. Absatz der vorgenannten Entscheidung), was relativ identisch ist mit den Werten aus der Datenbank von CO2online.

Es empfiehlt sich also, von einem Durchschnittsverbrauch von 400 kWh pro Jahr auszugehen und dieser ist um einen angemessenen Wert z. B. 10 % zu erhöhen, da geringe Schwankungen immer möglich sein müssen.

Dieser Verbrauch ist mit dem jeweilig konkret gezahlten Strompreis zu multiplizieren und insofern sind dies die Kosten, die als Stromkosten beim Betrieb der Gasetagenheizung noch hinzunehmen sind.

Anton Hillebrand, Bochum