Arme Kinder haben arme Eltern
Sollen Hartz-IV-Kinder Gutscheine für Nachhilfe, Sport oder Freizeit bekommen?
Wie den Medien in letzter Zeit verstärkt zu entnehmen ist, plant das Bundesministerium für Ar-
beit und Soziales unter Federführung der Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) in Erfüllung der
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 eine neue Ermittlung der jeweili-
gen Regelsätze gemäß §§ 19, 20 SGB II. In diesem Zusammenhang wird seitens des Ministeri-
ums und der zuständigen Ministerin darauf hingewiesen, dass die ersten Zahlen im Herbst 2010
vorliegen werden.
Umso irritierender ist es, wenn jetzt bereits diverse Forderungen wie € 400,00, € 420,00 oder
€ 500,00 seitens der politischen Parteien und Verbände gestellt werden.
Das  Bundesverfassungsgericht  hat  in  der  vorbezeichneten  Entscheidung  sehr  nachdrücklich
darauf hingewiesen, dass ein politisches Auskungeln der Beträge nicht zulässig ist. Die jeweili-
gen  Regelsätze  müssen  anhand  empirischer  Daten  ermittelt  werden  und  überprüfbar  sein.
Wenn die konkreten Zahlen auf dem Tisch liegen, werden sie überprüft werden, sei es von den
Verbänden, aber auch von den Gerichten.
Angemerkt sei in diesem Zusammenhang, dass es eine empirische Sozialstudie aus dem Kreis
München/Land  gibt,  die  zu  dem  Ergebnis  kommt,  dass  ein  Mindestbetrag  von  über  €  420,00
erforderlich ist, um die Grundsicherung abzudecken.
Einen besonderen Bereich bildet in diesem Zusammenhang die immer weiter um sich greifende
Kinderarmut.  Soweit  ersichtlich  besteht  sowohl  in  den  Verbänden  als  auch  in  den  politischen
Parteien  Einigkeit  darüber,  dass  dies  auf  Dauer  nicht  hinzunehmen  und  zu  ändern  ist.  Die
Frage, die sich stellt, ist wie dies zu ändern ist. Den entsprechenden Medienberichten zufolge
plant das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Verteilung von Gutscheinen z. B. für
Nachhilfeunterricht, Sportvereine oder Freizeitaktivitäten.
Ein solcher Vorschlag wird von uns ausdrücklich abgelehnt, da er zum Einen  davon  ausgeht,
dass Bezieher von Hartz-IV-Leistungen im Regelfall ihre Kinder ausplündern und bei höheren
Zahlungen für die Kinder dieses Geld für sich selber ausgeben. Die Realität sieht genau anders
herum aus, im allgemeinen finanzieren die Eltern die Unterdeckung beim Sozialgeld für die Kin-
der. Arme Eltern sind keine Rabeneltern.Für den Fall, dass die Behörde Erkenntnisse hat, dass die Gelder für die Kinder zweckentfrem-
det  verwendet  werden,  besteht  die  Möglichkeit  immer  noch,  Gutscheine  für  entsprechende
Leistungen zu verteilen ohne pauschal davon auszugehen, dass arme Eltern ihren Kindern das
Geld wegnehmen.
Eine ähnliche Regelung gibt es bei den Kosten der Unterkunft. Der gesetzliche Regelzustand ist
die Zahlung der Miete an den Hilfeempfänger, der diesen Betrag an den Vermieter weiterleitet.
Sollte die ARGE Erkenntnisse haben, dass das Geld zweckwidrig verwendet wird, kann sie die-
sen  Betrag  direkt  an  den  Vermieter  zahlen.  Voraussetzung  hierfür  ist  jedoch  der  begründete
Verdacht der zweckwidrigen Verwendung. Nichts anderes kann für die Kinder gelten und es ist
nach diesseitiger Auffassung völlig inakzeptabel, Millionen von Vätern und Müttern vorzuwerfen,
sie würden ihre Kinder ausplündern.
Soweit im Übrigen aus interessierten politischen Kreisen immer wieder auf dem Lohnabstands-
gebot herumgeritten wird und gesagt wird, dass die Sozialleistungen nicht erhöht werden dürfen,
da es sich sonst nicht mehr lohnen würde zu arbeiten, denen mag entgegnet werden, dass das
SGB  II kein  Lohnabstandsgebot kennt.  Dieser  Begriff  stammt  aus  dem  SGB  XII.  Unabhängig
hiervon ist darauf hinzuweisen, dass nicht die Sozialleistungen zu hoch, sondern die Löhne zu
niedrig sind. Eine deutlich Erhöhung der Löhne und damit einhergehend eine Absicherung nach
unten, d. h. die flächendeckende Einführung von Mindestlöhnen, verhindert zum Einen die Ar-
mut in diesen Bevölkerungskreisen zumindest zum Teil und darüber hinaus die Bildung von Fir-
men, deren Hauptgeschäftskonzept Lohndumping ist.
Nach diesseitiger Auffassung ist der richtige Weg eine Erhöhung der Löhne, die Einführung von
flächendeckenden Mindestlöhnen und die Abkehr von Konzepten des fürsorglichen Entmündi-
gungsstaates.
04.08.2010

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