PRESSEMITTEILUNG
Bildungsgutscheine und Verwaltung
Müssen für die Bedarfe bei Bildung und Teilhabe 12seitige Vordrucke ausgefüllt werden?
Im Rahmen einer großen Gesetzesänderung des SGB II hat der Gesetzgeber beschlossen, für
Kinder und Jugendliche Bedarfe für Bildung und Teilhabe gesondert zu erbringen. Bislang wird
dieses  Angebot  seitens  der  betroffenen  Personen  bzw.  ihrer  Eltern  nur  sehr  bedingt  wahrge-
nommen. Ein Grund hierfür könnte sein, dass ein Teil der Verwaltung das Ausfüllen von Vordru-
cken  mit  12  und  mehr  Seiten  fordert.  Es  stellt  sich  also  die  Frage,  ob  dies  gefordert  werden
kann.
Die Bedarfe für Bildung und Teilhabe regeln sich in den Paragraphen 28 und 29 SGB II. Diese
gelten ab dem 01.01.2011. In beiden Paragraphen gibt es keine Regelung dergestalt, dass ein
Vordruck auszufüllen ist.
Diese  Leistungen  werden  nur  auf  Antrag  bewilligt;  aus  den  entsprechenden  Leistungsnormen
ergibt sich jedoch nicht, dass die Verwendung eines Vordrucks zwingend ist.
Gemäß § 37 Absatz 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen gemäß SGB II nur auf Antrag erbracht.
Auch hier findet sich keine Bestimmung, dass die Beantragung formgebunden ist. In § 37 Absatz
1 Satz 2 SGB II wird im Übrigen darauf hingewiesen, dass das Gros der Bedarfe für Bildung und
Teilhabe gemäß § 28 Absatz 2 und Absatz 4 bis 7 SGB II gesondert zu beantragen ist. Dies gilt
im Übrigen auch für sonstige Leistungen, die über den Regelbedarf hinausgehen (§ 24 Absatz 1
und 3 SGB II).
Es ist also ein Antrag zu stellen. Eine bestimmte Form ist für den Antrag nicht vorgeschrieben,
so jedenfalls das Bundessozialgericht (Soziale Sicherheit 1989, 125).  Sollte  die  Behörde  Vor-
drucke  ausgeben  und  diese  vom  Antragsteller  nicht  verwendet  werden,  so  ändert  das  nichts
daran, dass ein Antrag wirksam gestellt worden ist, so jedenfalls das BSG (BSGE 46,218).
Insgesamt  ist  festzuhalten,  dass  das  Verhalten  der  Behörden,  die  entsprechende  Vordrucke
fordern, rechtswidrig ist und der Antrag auch formlos ohne Verwendung der ausgegebenen Vor-
drucke gestellt werden kann.
Nach  diesseitiger  Auffassung  kann  man  an  dem  Vordrucks(un)wesen  erkennen,  dass  dieses
Mittel benutzt wird, um Personen davon abzuhalten, die ihnen zustehenden Leistungen zu beantragen. Das gesamte Bildungspaket ist ein verwaltungstechnischer Fehlgriff sondergleichen.
Der Gesetzgeber ist aufgefordert, in die Reform der Reform einzusteigen.
Weiterhin  lässt  sich  anhand  dieses  zugegebenermaßen  besonders  drastischen  Verwaltungs-
fehlgriffs erkennen, dass ein „Weiter so“ nicht sinnvoll ist. Es fließen immer mehr Gelder in die
sozialen Sicherungssysteme und bei den Betroffenen, seien sie nun Rentner, Kranke oder Per-
sonen, die aufgrund ihrer Lebensumstände auf staatliche Transferleistungen angewiesen sind,
kommen immer weniger Leistungen an. Die Schere zwischen den für die Bürger zu tragenden
Kosten und dem was beim einzelnen Betroffenen ankommt, wird immer größer. Der Gesetzge-
ber ist aufgerufen, hier schnellstmöglich gegenzusteuern.
22.04.2011
Sozialberatung Ruhr e. V.
Am Bergbaumuseum 37
44791 Bochum

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